Adrien - Freitag 17 Oktober 2025

🧠 Wenn Stress kollektive Intelligenz stärkt

Wie passen Tiergruppen ihr kollektives Verhalten an plötzliche Veränderungen in ihrer Umgebung an?

In einer in der Zeitschrift PRX Life veröffentlichten Studie zeigen Wissenschaftler, dass Fischgruppen unter Umweltstress ihre sozialen Interaktionen so modulieren, dass sie sich selbst in kritische Zustände organisieren, die ihre Anpassungsfähigkeit fördern.



Organisation von Fischen bei Störungen


Eine zentrale Frage bei der Untersuchung von Fischschwärmen ist, wie sie effektiv auf Störungen reagieren, ob diese umweltbedingt sind oder mit Raubtierangriffen zusammenhängen. Um diese Mechanismen zu erforschen, führten Wissenschaftler Laborexperimente mit einer tropischen Fischart durch, die für ihr Leben im Schwarm bekannt ist: Hemigrammus rhodostomus.

Fischgruppen wurden plötzlichen Lichtveränderungen ausgesetzt, die einen moderaten Umweltstress simulierten (siehe Abbildung 1 und Video). Die Wissenschaftler kombinierten die experimentellen Daten mit einem mathematischen Modell, das das intermittierende Schwimmen der Fische und ihre sozialen Interaktionen nachbildet. So konnten sie die verschiedenen kollektiven Verhaltensweisen in einem "Phasendiagramm" darstellen, das die verschiedenen Regime kollektiver Bewegungen unterscheidet: polarisiertes Schwimmen in dieselbe Richtung, im Wirbel oder in ungeordnetem Schwarm (siehe Abbildung 2).

Kollektives Verhalten einer Gruppe von 25 Fischen unter Lichtstress.


Stress, Gruppengröße und kollektive Intelligenz



Die in der Zeitschrift PRX Life veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass in großen Gruppen (25 Individuen) die gestressten Fische die Intensität ihrer sozialen Interaktionen so anpassen, dass sich ihr Schwarm einem kritischen Zustand annähert (siehe Abbildung 2). Dieser in der Physik wohlbekannte Zustand entspricht einer Zone, in der ein System seinen Zustand ändern kann und zugleich sehr empfindlich auf Störungen reagiert. Dies ermöglicht es dem Schwarm, gegenüber Gefahren reaktionsfähig zu bleiben, während Desorganisation vermieden wird.

Überraschenderweise bleiben kleine Gruppen (10 Individuen) fast immer nahe an diesem kritischen Zustand, selbst ohne externen Stress. Diese Beobachtung legt nahe, dass in diesen kleinen Gruppen der Stress permanent ist, wahrscheinlich aufgrund der geringeren Wirksamkeit des Puffereffekts, der durch die Anwesenheit von Artgenossen induziert wird und den individuellen Stress reduziert.


Abbildung 1: Kollektives Verhalten einer Fischgruppe, die unter Stressbedingungen in einem kreisförmigen Becken schwimmt.
© CRCA, CBI, Toulouse

Die Wissenschaftler zeigten auch, dass diese Anpassung durch einen einfachen Mechanismus erreicht wird: Die Fische passen nur die Intensität ihrer Anziehungs- und Ausrichtungsinteraktionen mit typischerweise zwei ihrer einflussreichsten Nachbarn an, anstatt alle sozialen Beziehungen zu verändern. Dies verringert die kognitive Belastung und ermöglicht dennoch eine effektive kollektive Reaktion.

Diese Arbeit beleuchtet die positive Rolle von Stress für die kollektive Intelligenz sozialer Tiere. Sie deutet darauf hin, dass Stress nicht nur ein störender Faktor ist, sondern auch eine treibende Rolle bei der kollektiven Anpassung dieser Organismen spielt. So sind bei Fischen Stress und Gruppengröße zwei grundlegende Hebel, die es Schwärmen ermöglichen, sich selbst in kritische Zustände zu organisieren, die ihre Anpassungsfähigkeit fördern.


Abbildung 2: Innerhalb eines Schwarms erzeugen die Anziehungs- und Ausrichtungsinteraktionen zwischen Fischen verschiedene Formen kollektiver Bewegungen.

Über Fische hinaus eröffnen diese Ergebnisse Perspektiven für das Verständnis, wie andere tierische Kollektive (von sozialen Insekten bis zu geselligen Säugetieren) ihre Interaktionen je nach Kontext optimieren. Sie könnten sogar robotische Systeme inspirieren, wie etwa Schwärme autonomer Drohnen, die ihre Organisation automatisch an Unvorhergesehenes anpassen können.

Quelle: CNRS INSB
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