Ein französisch-amerikanisches Forscherteam hat gezeigt, dass im mikrozirkulatorischen Netzwerk ein Teil der roten Blutkörperchen unerwartete Wege einschlagen kann, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen. Diese experimentelle Beobachtung dürfte zu einer präziseren Modellierung der Mechanismen der Sauerstoffversorgung sowie der Beseitigung von Zellstoffwechselrückständen im Blutkreislauf führen.
Das mikrozirkulatorische Netzwerk des Blutes ist der bevorzugte Ort für den Austausch zwischen Blut und Organen: Nährstoffe, Atemgase und Stoffwechselabfälle werden hier von oder zu den benachbarten Zellen transportiert.
In diesem dichten und redundanten Geflecht von Gefäßen, deren Durchmesser in etwa der Größe der zirkulierenden Zellen wie roten und weißen Blutkörperchen entspricht, treten zahlreiche physiko-chemische Wechselwirkungen auf. In
in vivo-Beobachtungen wurden erhebliche Schwankungen in der Fließgeschwindigkeit und Verweildauer der zirkulierenden Bestandteile festgestellt, ohne dass die Mechanismen, die zu diesen Schwankungen führen, bisher vollständig verstanden werden.
Aufgrund ihrer inhomogenen Verteilung innerhalb der Gefäße verursachen die roten Blutkörperchen spezifische Strömungsgesetze, sei es in Bezug auf Dissipation in den Gefäßen oder die Trennung von Blutkörperchen und Plasma an Verzweigungen.
Diese Verhaltensweisen wurden bereits theoretisch über viele Jahre untersucht und bilden die Grundlage für aktuelle Modelle, deren Ziel es ist, die Verteilungen der roten Blutkörperchen und der im Plasma gelösten Moleküle im Netzwerk vorherzusagen. In Analogie zu einfachen Flüssigkeitsströmungen wird oft angenommen, dass die Strömung, die aus einer zeitlich konstanten Bedingung am Eingang des Netzwerks resultiert, eindeutig und stationär ist.
Neuere theoretische Studien haben jedoch in den letzten Jahren die Möglichkeit einer komplexeren Realität aufgezeigt, die sich aus der starken Nichtlinearität der Modelle ergibt. Dabei können mehrere Strömungsregime existieren (und sich zufällig ablösen), obwohl die Randbedingungen am Netzwerkeingang konstant bleiben.
Beispiel eines Umwegs, den ein Teil der roten Blutkörperchen nutzt, um das Netzwerk zu durchqueren. Dieses Strömungsmuster bricht die Spiegelsymmetrie entlang der horizontalen Achse des Systems.
© M. Alonzo und G. Coupier.
In einer jüngsten Arbeit haben Forscher des Laboratoire Interdisciplinaire de Physique (
LIPhy, CNRS / Université Grenoble Alpes) und des Laboratoire Rhéologie et Procédés (
LRP, CNRS / Université Grenoble Alpes) ein
in vitro-Experiment entwickelt, das diese mehrfachen Strömungslösungen aufzeigt, zwischen denen das System spontan oszilliert.
In diesen Strömungskonfigurationen wird ein erheblicher Teil der Blutkörperchen und der Flüssigkeit in Seitenkanäle abgelenkt, die quer zur Hauptströmungsrichtung verlaufen, was ihre Verweildauer im Netzwerk erheblich verlängert.
Diese Beobachtungen, unterstützt durch Modellierungen ihrer amerikanischen Kollegen J. Geddes (Olin College) und N. Karst (Babson College), zeigen, dass es notwendig ist, diese intrinsische Instabilität der Blutströmung im Kapillarnetzwerk in zukünftige Modelle einzubeziehen – selbst in nicht-pathologischen Situationen. Denn diese Wechsel zwischen verschiedenen Strömungskonfigurationen könnten mit den vielen störenden Phänomenen in diesem Milieu gekoppelt sein: Gefäßverstopfungen, Passage von weißen Blutkörperchen, Vasodilatation usw. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift
Physical Review Fluids veröffentlicht.
Referenz
Spatio-temporal instabilities of blood flow in a model capillary network.
Mathieu Alonzo, Nathaniel J. Karst, Thomas Podgorski, John B. Geddes, and Gwennou Coupier.
Physical Review Fluids, veröffentlicht am 22. Oktober 2024.
Doi:
10.1103/PhysRevFluids.9.104401
Offenes Archiv:
arXiv
Quelle: CNRS INP