Adrien - Freitag 27 September 2024

Was sind Sphäroide, diese geheimnisvollen prähistorischen Objekte?

Von Julia Cabanès - Doktorin - Archäologie, Ethnologie, Urgeschichte, Muséum national d'histoire naturelle (MNHN)

Über die Zeit hinweg bewahrt, stellen Steinartefakte wertvolle Hinweise dar, um das Verhalten unserer prähistorischen Vorfahren zu verstehen. Insbesondere die Objekte, die unter den Begriffen Polyeder, Sphäroide und Bolas (PSB) zusammengefasst werden, sind rätselhafte Artefakte aus behauenem Stein, deren Funktion unter Prähistorikern bis heute noch offen ist.


Um die Nutzung dieser Objekte zu verstehen, haben Archäologen experimentell Sphäroide aus Quarz hergestellt.
Julia Cabanès/Muséum national d'histoire naturelle, Vom Autor bereitgestellt

Diese Objekte wurden in den letzten zwei Millionen Jahren in der ganzen Alten Welt produziert und finden sich häufig auf Fundplätzen in Afrika und Asien, aber seltsamerweise sind sie in Europa viel seltener.

In der Fachliteratur hängt ihre Definition hauptsächlich vom Grad ihrer Nähe zur Kugel ab: Es handelt sich um auf mindestens drei Seiten bearbeitete Objekte, mit winkliger Morphologie für Polyeder, facettierter Kugelgestalt für Sphäroide und perfekt kugelförmig für die Bolas. Ihre Größen und Gewichte sind ebenfalls sehr variabel und reichen von wenigen Gramm bis hin zu mehreren Kilogramm.

Trotz ihrer Häufigkeit auf Fundplätzen sind diese Objekte wenig erforscht und bleiben schlecht bekannt. Welche Rolle spielten sie im Alltag fossiler Homininen? Hinzu kommt, dass die Herstellung solcher Objekte ein komplexer Prozess ist: Warum verwendeten die Homininen keine einfachen runden Kieselsteine, anstatt die Kieselsteine zu Sphäroiden zu formen? Unsere aktuelle Studie von 513 dieser bearbeiteten Steine aus neun paläolithischen Fundstätten in Frankreich und Nordafrika hat neue Hinweise geliefert, um diese Fragen zu beantworten.


Polyeder (A), Sphäroide (B) und Bola (C).
Julia Cabanès/MNHN, Vom Autor bereitgestellt


Eine lang andauernde Debatte



Zunächst ein Blick auf die bestehenden Studien und Theorien. 1847 beschreibt Boucher de Perthes diese Art von Objekten zum ersten Mal und bezeichnet sie als "keltische Äxte", als er diese Steinkugeln im Norden Frankreichs entdeckt. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es zwei Haupthypothesen: Entweder handelt es sich um präzise gefertigte Werkzeuge, die für eine bestimmte Aufgabe verwendet wurden, oder um ausgediente Kerne, also Abfallprodukte, von denen so viele Abschläge wie möglich abgetrennt wurden, wobei die Abschläge als Endprodukte gesucht waren.

Die Autoren, die davon ausgehen, dass diese Objekte eine spezifische Funktion erfüllten, sehen sie in vielen Fällen als Geschosse, wobei dies hauptsächlich auf einem aktualistischen Ansatz beruht, also dem Vergleich mit noch heute verwendeten Objekten: Hierbei handelt es sich um die südamerikanischen bolas von boleadoras. Diese bolas sind kugelförmige Objekte, die durch Seile verbunden sind und von den Ureinwohnern Amerikas und den Gauchos als Wurfwaffen verwendet wurden. Dieser Vergleich war so populär, dass die südamerikanischen bolas den Namen für die prähistorischen Bolas prägten.

Andere Autoren schlagen vor, dass die Sphäroide als Schlagsteine verwendet wurden, also als Werkzeuge, die Hammern ähneln, doch die meisten dieser Studien stützen sich auf keine spezifischen Analysen. Diese Hypothese wird jedoch von einer der wenigen durchgeführten Gebrauchsspurenanalysen zu Sphäroiden unterstützt, die durch die Untersuchung von Gebrauchsspuren an Stücken von der Fundstätte Qesem (Israel) zeigt, dass diese Objekte verwendet wurden, um Knochen zu brechen und an das Mark zu gelangen. Experimentelle Studien legen ebenfalls nahe, dass die Sphäroide von der Fundstätte Jonzac (Frankreich) als Schlagsteine zum Bearbeiten von Feuersteinwerkzeugen benutzt wurden. Schließlich schlagen andere Autoren - jedoch ohne vorhergehende Analyse - vor, dass Sphäroide möglicherweise als Keulenköpfe oder Stößel genutzt wurden.

Eine noch nie dagewesene Studie von über 500 Artefakten



Die Theorien über die Funktionen von Polyedern und Sphäroiden sind also zahlreich, beruhen jedoch selten auf Belegen. In unserer aktuellen Studie haben wir 513 dieser Objekte von neun Fundstellen aus Frankreich und Nordafrika analysiert, die zwischen 1,8 Millionen Jahren und 169.000 Jahren alt sind. Wir haben eine funktionale Analyse durchgeführt, um die teilweise mikroskopischen Spuren auf der Oberfläche der Objekte zu dokumentieren und zu interpretieren. Diese Spuren liefern wichtige Hinweise auf die Herstellungs- und Nutzungsmethoden der Objekte, aber auch auf natürliche oder versehentliche Prozesse, denen sie möglicherweise ausgesetzt waren.

Um diese Spuren zu interpretieren, ist es notwendig, Referenzsammlungen zu schaffen, d.h. Fotobanken von Spuren, deren Herstellungsbedingungen bekannt sind (z.B.: die durchgeführte Aufgabe, die Anzahl der Bewegungen). Um diese Referenzsammlungen zu erstellen, führen wir experimentelle Arbeiten durch: Wir stellen Nachbildungen von Sphäroiden her und verwenden sie bei verschiedenen Tätigkeiten (Knochenbrechen, Zerkleinern von Pflanzen), um die Entwicklung der Spuren auf ihrer Oberfläche zu dokumentieren.


Beispiel einer Referenzsammlung von Herstellungs- und Nutzungsspuren (Knochenbrechen) auf einem experimentellen Sphäroid. A-D: Vier orthogonale Ansichten eines experimentellen Sphäroiden. 1-2: Makrospuren. a-d: Mikrospuren. Zonen 1-7: Zonen mit makroskopischen Herstellungs- und/oder Nutzungsspuren (Zone 2: Knochenbrechen).
Julia Cabanès/MNHN, Vom Autor bereitgestellt

Dank dieser Referenzsammlungen ist es möglich, die Spuren auf archäologischen Objekten durch Vergleich zu interpretieren: Sind sie auf die Herstellung oder Nutzung zurückzuführen? Auf welche Nutzung? Außerdem sind die Abmessungen eines Objekts, sein Gewicht und seine Ergonomie weitere Faktoren, die vom Bearbeiter in Betracht gezogen werden können. Die Untersuchung all dieser Parameter hat es uns ermöglicht, unsere Hypothesen zu untermauern.

Hinweise aus der Herstellung



Unsere Ergebnisse zeigen, dass Polyeder und Sphäroide hauptsächlich aus robusten Gesteinen hergestellt wurden, die heftigen Stößen standhalten, wie Basalt oder Quarzit. Weniger robuste Materialien wie Feuerstein wurden hingegen systematisch vermieden, um diese Objekte über zwei Millionen Jahre lang zu produzieren. Obwohl Feuerstein unseren experimentellen Befunden zufolge sehr gut zur Herstellung solcher Artefakte geeignet ist. So scheint Feuerstein eher aus funktionalen Gründen vermieden worden zu sein: Sphäroide wurden für Aktivitäten verwendet, die extreme Stoßfestigkeit erforderten. Dies könnte auch die Seltenheit von Sphäroiden in Nordwesteuropa erklären, wo sich die Fundplätze vor allem in reich an Feuerstein liegenden Sedimentbecken befinden und die Industrie stark auf die Nutzung dieses Gesteins fokussiert ist.


Ein Sphäroid von der Fundstätte Tourville-la-Rivière. A-D: Vier orthogonale Ansichten des Sphäroiden. 1-2: Produktionsbedingte Makrospuren. a-d: Mikrospuren. Zonen 1-7: Zonen mit makroskopischen Herstellungsspuren.
Julia Cabanès/MNHN, Vom Autor bereitgestellt

Unsere Experimente haben gezeigt, dass bei der Herstellung intensive Spuren auf der Oberfläche des Objekts entstehen. Die Nutzung hingegen hinterlässt nur wenige oder gar keine Spuren. Entgegen dem, was in der Literatur oft eingeschätzt wird, sind die meisten Spuren auf der Oberfläche der Sphäroide nicht auf eine intensive Nutzung, sondern auf ihren Herstellungsprozess zurückzuführen. Jedoch könnten diese Objekte auch verwendet worden sein, ohne dass sich Nutzungsspuren an ihrer Oberfläche gebildet haben, wie dies bei den meisten unserer Experimente der Fall war.

Warum diese Objekte herstellen?


Die wenigen Nutzungsspuren, die wir an den archäologischen Objekten identifiziert haben, deuten wahrscheinlich auf Schläge hin, wie z.B. das Brechen von Knochen. Die Robustheit dieser Objekte – aufgrund ihrer Materialien und ihrer robusten Kanten – sowie ihre nahezu kugelförmige Morphologie scheinen funktionale und/oder ergonomische Aspekte zu sein, die von den Homininen angestrebt wurden, die diese Objekte herstellten. So scheinen die meisten Stücke des Korpus für Aktivitäten geformt worden zu sein, die große Stoßfestigkeit erforderten.


Wir haben keinen Vorteil festgestellt, der den Einsatz eines Sphäroiden gegenüber eines Kiesels rechtfertigen würde. Es gibt daher einen Widerspruch zwischen der Komplexität des Herstellungsprozesses und der Effizienz dieser Objekte, die mit einem einfachen Kiesel vergleichbar ist. In manchen Fällen könnte dieser Widerspruch darauf hinweisen, dass die Sphäroide nicht direkt aus Kieseln hergestellt wurden, sondern das Ergebnis einer Wiederverwertung von aus Kieseln gefertigten Objekten sind (Kerne, Werkzeuge aus Kieseln).

Unsere Studie zeigt, dass diese Objekte eine große Vielfalt an Stücken repräsentieren, die je nach Fundstätte, Region und Zeitraum unterschiedliche Herstellungs- und Nutzungsmethoden aufweisen könnten. Eine einfache morphologische Kategorisierung (Polyeder, Sphäroid, Bola) ist somit nicht ausreichend, um diese Vielfalt zu erklären. Diese Objekte waren beständig und allgegenwärtig und wurden im gesamten Paläolithikum in der Alten Welt verbreitet, angepasst und neu erfunden. Um unsere Hypothesen zu untermauern, muss diese funktionale Analyse mit der Untersuchung der Herstellungsprozesse dieser Objekte kombiniert werden: Dies ist der zweite Teil dieser Studie, der demnächst veröffentlicht wird.

Quelle: The Conversation unter Creative-Commons-Lizenz
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