Redbran - Dienstag 3 Juni 2025

Warum erkennt man einen Gegenstand visuell, den man nur ertastet hat? 👀

Stellt euch vor, ihr berĂŒhrt einen Gegenstand in völliger Dunkelheit. Einige Minuten spĂ€ter erkennt ihr ihn problemlos... einfach indem ihr ihn betrachtet. Ohne darĂŒber nachzudenken, habt ihr etwas Bemerkenswertes vollbracht: ihr habt zwei verschiedene Sinne – Tasten und Sehen – verbunden, um dieselbe RealitĂ€t zu verstehen.


Doch wie schafft das Gehirn diese Leistung? Ist es eine Art Gedankenmagie oder ein prĂ€ziser, lokalisierter Mechanismus? Genau dieser Frage ist ein Team der UniversitĂ€t Genf (UNIGE) nachgegangen. Und ihre Entdeckung könnte unser VerstĂ€ndnis von Intelligenz – sowohl menschlicher als auch kĂŒnstlicher – grundlegend verĂ€ndern.

Ein verstecktes sensorisches GPS im Gehirn


Das Gehirn ist zu erstaunlichen Tricks fÀhig. Es kann beispielsweise mit einem Sinn (wie dem Sehen) lernen und dieses Wissen mit einem anderen (wie dem Tasten) wiederverwenden. Diese FÀhigkeit der sensorischen Abstraktion ist eine Grundlage der Intelligenz. Doch wo genau dies geschieht, war bisher unklar.

Das UNIGE-Team fĂŒhrte Experimente mit MĂ€usen durch, um dies herauszufinden. Das Prinzip: Die MĂ€use lernten, zwischen Reizen von oben oder unten zu unterscheiden – zunĂ€chst durch Tasten mit ihren Schnurrhaaren. Bei richtiger Antwort erhielten sie eine Belohnung. Innerhalb einer Woche hatten sie die Regeln verstanden.

Doch das Faszinierendste kam erst noch.

Wenn Schnurrhaare durch Licht ersetzt werden


Nachdem die MĂ€use trainiert waren, ersetzten die Forscher die taktilen Reize durch visuelle Signale – einen Schatten, der oben oder unten im Sichtfeld vorbeizog. Und siehe da: Ohne spezielles Training antworteten die Nagetiere weiterhin korrekt, als ob das Gehirn automatisch das Gelernte vom Tasten auf das Sehen ĂŒbertragen hĂ€tte.


Diese Maus steht zwischen roten und blauen Lichtern, die die unteren und oberen Bereiche des umgebenden Raums darstellen – genau dort, wo Tasten und Sehen zusammenkommen.
© Sami El-Boustani

Dies war der Beweis fĂŒr eine sensorische Generalisierung: eine Art „sofortige Übersetzung“ zwischen den Sinnen.

Ein SchlĂŒsselakteur: der RL-Bereich



Bei genauer Beobachtung der GehirnaktivitÀt dieser MÀuse entdeckten die Forscher eine sehr spezifische Gehirnregion: den RL-Bereich (rostro-lateral), der im oberen Cortex liegt. Hier treffen taktile und visuelle Informationen zusammen.

Als dieser Bereich deaktiviert wurde, verloren die MĂ€use ihre FĂ€higkeit, zwischen den Sinnen zu generalisieren – obwohl sie weiterhin gut mit einem einzelnen Sinn lernen konnten. Noch erstaunlicher: Durch Stimulation dieser Region konnten die Forscher diese FĂ€higkeit kĂŒnstlich auslösen.

„Der RL-Bereich fungiert wie ein sensorischer Übersetzer. Er hilft zu verstehen, dass das, was man in der Dunkelheit mit den Schnurrhaaren fĂŒhlt, dasselbe ist, was man spĂ€ter im Licht sieht“, fasst Giulio Matteucci, Mitautor der Studie, zusammen.

Reale Auswirkungen


Diese Entdeckung eröffnet viele Möglichkeiten. In der Medizin könnte sie helfen, bestimmte sensorische Störungen besser zu verstehen, bei denen das Gehirn Schwierigkeiten hat, Informationen richtig zu integrieren. Und in der kĂŒnstlichen Intelligenz bietet sie ein inspirierendes Modell: Systeme, die Daten abstrahieren können, um von Bild zu Ton oder von Text zu Video zu wechseln – genau wie unser Gehirn es natĂŒrlich tut.

Ein beeindruckendes Beispiel dafĂŒr, wie eine kleine Gehirnregion ein immenses Potenzial an Intelligenz... und Innovation offenbaren kann.

Quelle: UniversitÀt Genf
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