In der akademischen Landschaft kann die Besessenheit von Zahlen und Rankings manchmal den wahren Wert der Forschung verschleiern. Warnsignale deuten darauf hin, dass einige Bewertungssysteme statt Exzellenz zu fördern, zu fragwürdigen Praktiken anregen.
Unter der Leitung von Ilka Agricola, Professorin an der Universität Marburg in Deutschland, hat eine Gruppe internationaler Forscher eine umfassende Studie zu mathematischen Publikationen durchgeführt. Im Auftrag der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) und der Internationalen Mathematischen Union (IMU) entdeckten sie weitverbreitete und langjährige Betrugsfälle, die darauf abzielten, Leistungswerte künstlich zu erhöhen. Ihre Ergebnisse, die zunächst auf der Preprint-Plattform arXiv veröffentlicht und später in den
Notices of the American Mathematical Society detailliert beschrieben wurden, erregten sofort Aufmerksamkeit und lösten Besorgnis in der globalen mathematischen Gemeinschaft aus.
Die Metriken, die zur Bewertung der Forschungsqualität verwendet werden, wie die Anzahl der Publikationen, Zitationen oder der Impact-Faktor von Zeitschriften, werden oft von privaten Unternehmen mit undurchsichtigen Methoden generiert. Diese weltweit vermarkteten Indikatoren unterliegen nur einer begrenzten Kontrolle durch die wissenschaftliche Gemeinschaft. Einige betrügerische Organisationen spezialisieren sich darauf, Forschern und Institutionen bei der Manipulation dieser Zahlen zu helfen, angezogen von Vorteilen wie erhöhter Finanzierung, höheren Studiengebühren und gesteigerter internationaler Attraktivität.
Die Studie führt eindrückliche Beispiele an, wie den von Clarivate Inc. im Jahr 2019 gemeldeten Fall, in dem eine taiwanesische Universität ohne Mathematikprogramm als die mit der höchsten Anzahl weltklasse Mathematiker eingestuft wurde. Darüber hinaus produzieren Megazeitschriften, die praktisch alle Artikel gegen Bezahlung akzeptieren, mittlerweile mehr Artikel pro Jahr als alle renommierten mathematischen Zeitschriften ohne Bezahlschranken. Im Verborgenen verkaufen anonyme Makler gefälschte Metriken und bieten gegen Bezahlung publikationsfertige Artikel oder Zitationssteigerungen an.
Der Generalsekretär der IMU, Christoph Sorger, warnt vor den Risiken der "Fake-Wissenschaft", die nicht nur die wissenschaftliche Gemeinschaft stört, sondern auch das öffentliche Vertrauen untergräbt. Er erklärt, dass diese Situation die Unterscheidung zwischen validen und nicht validen Informationen erschwert und damit den Wissensfortschritt behindert. Der Präsident der DMV, Jürg Kramer, fordert seinerseits eine Überarbeitung der Praktiken, um die Integrität in mathematischen Publikationen wiederherzustellen.
Die Vorschläge der Kommission umfassen Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz von Bewertungsmetriken und zur Stärkung der Peer-Review-Prozesse. Das Hauptziel ist es, die Aufmerksamkeit wieder auf den tatsächlichen wissenschaftlichen Beitrag zu lenken, anstatt auf quantitative Indikatoren, die oft manipulierbar sind. Diese Initiative zielt darauf ab, Vertrauen wiederherzustellen und sicherzustellen, dass die mathematische Forschung weiterhin als solide Grundlage für zukünftige Fortschritte dient.
Der Impact-Faktor
Der Impact-Faktor ist ein numerischer Indikator, der die durchschnittliche Häufigkeit misst, mit der Artikel einer Zeitschrift in einem bestimmten Zeitraum zitiert werden. Er wird oft als Stellvertreter für die Qualität oder den Einfluss einer Publikation verwendet. Berechnet von Unternehmen wie Clarivate, basiert er auf der Anzahl der Zitationen, die die in der Zeitschrift veröffentlichten Artikel in den vorangegangenen zwei Jahren erhalten haben, dividiert durch die Anzahl der in diesem gleichen Zeitraum veröffentlichten Artikel.
Allerdings weist der Impact-Faktor mehrere Grenzen auf. Er kann von Forschungsbereichen beeinflusst werden, in denen Zitationen häufiger vorkommen, unabhängig von der Qualität. Darüber hinaus berücksichtigt er nicht die Vielfalt der Artikeltypen oder deren langfristige Wirkung. Der Druck, in Zeitschriften mit hohem Impact-Faktor zu publizieren, kann Forscher dazu verleiten, modische Themen zu bevorzugen statt innovativer, aber weniger zitierter Arbeiten.
Um diesen Problemen entgegenzuwirken, werden Alternativen wie nutzungsbasierte Metriken oder qualitative Bewertungen vorgeschlagen. Das Ziel ist die Entwicklung fairerer Bewertungssysteme, die den tatsächlichen wissenschaftlichen Wert besser repräsentieren und damit Anreize zur Manipulation verringern. Beispielsweise fördert die Bewegung für offene Wissenschaft die Veröffentlichung von Daten und Methoden, was eine unabhängige Überprüfung ermöglicht.
Quelle: arXiv