Adrien - Montag 10 November 2025

💫 Modifizierte Gravitationstheorien: Zwerggalaxien sprechen eine klare Sprache

Die unscheinbarsten Zwerggalaxien unseres Universums offenbaren eine gravitative Anomalie, die Astronomen seit Jahrzehnten in Staunen versetzt. Während große Spiralgalaxien etablierten Regeln zu folgen scheinen, widersprechen die kleinsten Galaxien unseren Erwartungen, indem sie sich schneller drehen als vorhergesagt - was auf eine unsichtbare Komponente hindeutet, die unseren Teleskopen entgeht.

Ein internationales Team unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam führte eine umfassende Studie zu zwölf der kleinsten und lichtschwächsten jemals beobachteten Galaxien durch. Durch die Analyse der Geschwindigkeit von Sternen in verschiedenen Entfernungen vom galaktischen Zentrum konnten die Forscher das innere Gravitationsfeld dieser Systeme mit beispielloser Präzision kartieren. Die gesammelten Daten zeigen deutlich, dass die sichtbare Materie allein nicht ausreicht, um die Stärke der wirkenden Kräfte zu erklären, was einige alternative Theorien in Frage stellt.


Vergleich zwischen der Spiralgalaxie M33 (links) und der Zwerggalaxie Eridanus II (rechts), der die Unterschiede in der gravitativen Beschleunigung zeigt.
Bildnachweis: ESO/DSS2 (D. De Martin); DES (S.E. Koposov), Komposition: AIP (M. P. Júlio)


Die MOND-Theorie (Modified Newtonian Dynamics), die in den 1980er Jahren als Alternative zur dunklen Materie vorgeschlagen wurde, sagt voraus, dass die Gesetze der Schwerkraft bei sehr geringen Beschleunigungen variieren. Simulationen auf dem britischen National-Supercomputer DiRAC zeigen jedoch, dass dieser Ansatz das beobachtete Verhalten in Zwerggalaxien nicht reproduzieren kann. Im Gegensatz dazu entsprechen Modelle, die einen massiven Halo dunkler Materie um diese Galaxien einbeziehen, den experimentellen Daten viel besser.

Mariana Júlio, Doktorandin am Leibniz-Institut und Hauptautorin der Studie, betont, dass Wissenschaftler erstmals die Gravitationsbeschleunigung der Sterne in den lichtschwächsten Galaxien bei verschiedenen Radien auflösen konnten. Diese detaillierte Analyse der internen Dynamiken bestätigt, dass das Gravitationsfeld nicht allein durch die sichtbare Materie bestimmt werden kann, was somit die Vorhersagen von Theorien modifizierter Gravitation widerlegt. Diese Ergebnisse untermauern erheblich die Notwendigkeit, dunkle Materie heranzuziehen.

Die Forschung, die zur Veröffentlichung in Astronomy & Astrophysics angenommen wurde und auf dem Preprint-Server arXiv verfügbar ist, stellt auch die radiale Beschleunigungsbeziehung in Frage - eine langjährige Annahme, dass es einen einfachen Zusammenhang zwischen der Menge an sichtbarer Materie und der erzeugten Gravitationskraft gibt. Während diese Beziehung für größere Systeme weiterhin gültig bleibt, beginnt sie sich in den kleinsten Galaxien zu widerlegen, wo die gleiche Menge an sichtbarer Materie unterschiedliche Gravitationsbeschleunigungen erzeugen kann.

Professor Justin Read von der University of Surrey erklärt, dass neue Modellierungstechniken nun die Kartierung des Gravitationsfeldes in kleineren Maßstäben als je zuvor ermöglichen. Diese Fortschritte bieten neue Perspektiven auf diese seltsame, unsichtbare Substanz, die den Großteil der Masse des Universums ausmacht. Obwohl diese Entdeckungen die grundlegende Natur der dunklen Materie nicht enthüllen, reduzieren sie den Raum für alternative Erklärungen erheblich.

Dunkle Materie: Das unsichtbare kosmische Rätsel



Dunkle Materie stellt eines der größten Rätsel der modernen Kosmologie dar. Wissenschaftler schätzen, dass sie etwa 85% der gesamten Materie im Universum ausmacht, aber sie interagiert nicht mit Licht, was sie mit traditionellen Teleskopen unmöglich direkt zu beobachten macht.

Ihre Präsenz wird indirekt durch ihre gravitativen Effekte auf sichtbare Materie abgeleitet. Galaxien rotieren so schnell, dass sie sich ohne diese zusätzliche unsichtbare Masse unter der Wirkung der Zentrifugalkraft auflösen würden. Ebenso zeigt die Krümmung des Lichts durch Galaxienhaufen, ein Phänomen genannt Gravitationslinseneffekt, die Anwesenheit von Massen, die weit größer sind als die, die wir direkt nachweisen können.

Aktuelle Forschungen konzentrieren sich auf mehrere potenzielle Kandidaten, darunter WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), hypothetische Teilchen, die nur sehr schwach mit gewöhnlicher Materie interagieren würden. Andere Theorien untersuchen die Möglichkeit von Axionen, ultraleichten Teilchen, oder sogar von primordialen Schwarzen Löchern, die kurz nach dem Urknall entstanden sind.

Der direkte Nachweis dunkler Materie bleibt ein Hauptziel der Teilchenphysik, mit unterirdischen Experimenten wie XENONnT in Italien oder LZ in den USA, die versuchen, die seltenen Wechselwirkungen zwischen diesen mysteriösen Teilchen und gewöhnlicher Materie einzufangen.

Galaktische Dynamik und ihre Geheimnisse


Die galaktische Dynamik untersucht die Bewegung von Sternen und Gas innerhalb von Galaxien und liefert entscheidende Informationen über ihre Struktur und Entwicklung. Die Orbitalgeschwindigkeiten von Sternen um das galaktische Zentrum folgen spezifischen Gesetzen, die von der Verteilung der Gesamtmasse abhängen, einschließlich sowohl sichtbarer als auch unsichtbarer Materie.

In den 1970er Jahren beobachtete die Astronomin Vera Rubin, dass sich Sterne in den äußeren Regionen von Spiralgalaxien mit konstanten Geschwindigkeiten bewegten, unabhängig von ihrer Entfernung zum Zentrum. Diese überraschende Entdeckung widersprach den Vorhersagen der Newtonschen Mechanik, die nur auf sichtbarer Materie basierte, und lieferte den ersten soliden Beweis für die Existenz dunkler Materie.


Zwerggalaxien, wie die in dieser Forschung untersuchten, weisen besondere dynamische Eigenschaften auf. Ihre geringe Leuchtkraft und kleine Größe machen sie zu idealen Laboren, um Gravitationstheorien an extremen Grenzen zu testen, wo die Effekte dunkler Materie ausgeprägter sein sollten.

Moderne numerische Simulationen ermöglichen die Modellierung der Entwicklung von Galaxien über Milliarden von Jahren und integrieren sowohl baryonische (gewöhnliche) als auch dunkle Materie. Diese Modelle helfen zu verstehen, wie Halos aus dunkler Materie die Bildung und Entwicklung kosmischer Strukturen beeinflussen - von den ersten Galaxien bis zu den heute beobachtbaren Galaxienhaufen.

Quelle: Astronomy & Astrophysics
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