Nach mehreren Jahren der Überlegung und internationalen Zusammenarbeit hat das CERN soeben eine umfangreiche Studie abgeschlossen: Kann ein neuer, noch ehrgeizigerer Teilchenbeschleuniger gebaut werden, der den LHC in den Schatten stellt? Dieses Projekt, genannt Future Circular Collider (FCC), könnte in den 2040er Jahren Realität werden, mit einem unterirdischen Tunnel von fast 91 Kilometern Umfang – im Vergleich zu den 27 Kilometern des derzeitigen LHC.
Die Idee hinter diesem Giganten der Physik? Tiefer in die Erforschung der fundamentalen Gesetze des Universums vordringen. Die soeben veröffentlichte Machbarkeitsstudie skizziert die wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Grundzüge dieses außergewöhnlichen Projekts.
Künstlerische Darstellung des Tunnels für den FCC-hh (Proton-Proton-Collider).
Bild: PIXELRISE
Alles beginnt mit dem Higgs-Boson, jenem Teilchen, das 2012 entdeckt wurde und eine entscheidende Rolle im Mechanismus spielt, der anderen Teilchen Masse verleiht. Ohne es gäbe es keine Atome, keine strukturierte Materie, kein Universum, wie wir es kennen. Dennoch bleibt es rätselhaft. Genau um seine Geheimnisse zu lüften – und vielleicht neue Teilchen zu entdecken – wurde der FCC konzipiert.
Das Programm sieht zwei Hauptphasen vor. Zunächst einen Elektron-Positron-Collider, der enorme Mengen an Higgs-Bosonen erzeugen kann, um sie mit bisher unerreichter Präzision zu untersuchen. Danach eine noch ehrgeizigere Phase: ein Proton-Proton-Collider mit einer Rekord-Kollisionsenergie von 100 TeV, fast siebenmal mehr als der LHC.
Dieser Fahrplan folgt den wissenschaftlichen Prioritäten der europäischen Strategie für Teilchenphysik. Doch bevor überhaupt mit dem Bau begonnen werden kann, muss sichergestellt werden, dass alles realisierbar ist: technisch, umwelttechnisch, geologisch, wirtschaftlich... Genau darum geht es in dem vom CERN veröffentlichten Bericht.
Die geschätzten Kosten für die erste Phase, einschließlich Tunnel und Infrastruktur, belaufen sich auf 15 Milliarden Schweizer Franken, verteilt über etwa zwölf Jahre ab den 2030er Jahren. Die Finanzierung würde hauptsächlich aus dem regulären CERN-Budget stammen, wie bereits beim LHC.
Karte mit dem bevorzugten Verlauf des FCC.
Bild: CERN
Ein weiteres entscheidendes Thema: Nachhaltigkeit. Das CERN möchte den FCC zu einem Vorbild für verantwortungsvolle Forschung machen, mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck. Der Bericht nennt mehrere Ansätze, wie die Wiederverwendung der erzeugten Energie oder die Einbindung des Projekts in die betroffenen Regionen, mit lokalen technologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die bevorzugte Tunnelroute wäre 90,7 km lang, etwa 200 Meter unter der Erde, mit acht oberirdischen Standorten und vier großen Detektoren. Nicht weniger als 100 Szenarien wurden geprüft, bevor diese Wahl getroffen wurde.
Während der gesamten Studie wurden die Schweiz und Frankreich – die beiden Gastländer des CERN – sowie zahlreiche lokale Gemeinden einbezogen. Auch eine öffentliche Konsultation ist geplant, um einen offenen Dialog über das Projekt zu gewährleisten.
Der Bericht bedeutet nicht, dass der FCC gebaut wird. Es handelt sich um eine Diskussionsgrundlage. Er wird von unabhängigen Experten geprüft und dann im November 2025 dem CERN-Rat vorgelegt. Eine endgültige Entscheidung könnte um 2028 fallen.
Hinter diesem Projekt geht es nicht nur um wissenschaftlichen Fortschritt. Collider haben oft Auswirkungen weit über Labore hinaus: Medizintechnik, Energie, Materialien, Hightech-Elektronik... Der FCC, falls er verwirklicht wird, könnte ebenso sehr unsere Gesellschaft verändern wie unser Verständnis des Universums.
Quelle: CERN