Die Behandlung von Blasenkrebs könnte einen bedeutenden Fortschritt durch einen innovativen Ansatz der Wirkstofffreisetzung erfahren. Diese gezielte Methode bekämpft spezifisch Tumore, die gegen konventionelle Therapien resistent sind, und bietet damit neue Hoffnung für Patienten mit Therapieversagen.
Das Gerät TAR-200 hat die Form eines kleinen, brezelähnlichen Implantats, das das Chemotherapeutikum Gemcitabin schrittweise direkt in die Blase freisetzt. Im Gegensatz zu traditionellen Instillationen, bei denen das flüssige Medikament nur wenige Stunden verbleibt, hält dieses System über einen gesamten dreiwöchigen Behandlungszyklus eine konstante therapeutische Konzentration aufrecht. Diese verlängerte Expositionsdauer ermöglicht es dem Wirkstoff, tiefer in das Blasengewebe einzudringen und Krebszellen wirksamer zu eliminieren.
Die Vorrichtung TAR-200 mit ihrer besonderen Form enthält das Chemotherapeutikum Gemcitabin und gibt ihren Wirkstoff über drei Wochen pro Therapiezyklus schrittweise frei.
Bildnachweis: Johnson & Johnson
Die internationale klinische Studie SunRISe-1 schloss 85 Patienten mit hochriskantem, nicht-invasivem Blasenkrebs ein, die nicht auf die Standardbehandlung mit BCG angesprochen hatten. Diese Patienten waren traditionell Kandidaten für eine radikale Zystektomie, eine chirurgische Entfernung der Harnblase mit erheblichen Risiken und schwerwiegenden Auswirkungen auf die Lebensqualität. Das Behandlungsschema bestand aus Verabreichungen von TAR-200 alle drei Wochen über sechs Monate, gefolgt von vier Gaben pro Jahr über die folgenden zwei Jahre.
Die im
Journal of Clinical Oncology veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass bei 70 von 85 Patienten der Krebs innerhalb von drei Monaten nach der Behandlung vollständig verschwunden war. Fast die Hälfte dieser Patienten wies nach einem Jahr Nachbeobachtungszeit weiterhin diese vollständige Remission auf. Die Behandlung erwies sich als gut verträglich mit minimalen Nebenwirkungen, im Gegensatz zur Kombination mit anderen Immuntherapien, die sich als weniger wirksam und toxischer erwiesen hatte.
Dr. Sia Daneshmand, Hauptprüfarzt der Studie, betont, dass dieser Ansatz die wirksamste jemals dokumentierte Behandlungsoption für diese häufige Form von Blasenkrebs darstellt. Die US-amerikanische Food and Drug Administration hat TAR-200 ein beschleunigtes Prüfverfahren gewährt und damit sein bedeutendes therapeutisches Potenzial anerkannt. Mehrere zusätzliche klinische Studien erforschen derzeit die erweiterten Anwendungsmöglichkeiten dieser verlängerten Freisetzungstechnologie.
Diese therapeutische Innovation eröffnet vielversprechende Perspektiven für die lokalisierte Behandlung von Krebserkrankungen, bei der die verlängerte Wirkstofffreisetzung die Versorgung vieler Tumorerkrankungen revolutionieren könnte. Die Fähigkeit, eine optimale therapeutische Konzentration direkt am Tumorsitz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig systemische Wirkungen zu minimieren, stellt einen erheblichen Vorteil gegenüber konventionellen Ansätzen dar.
Hochriskantes, nicht-invasives Blasenkarzinom
Das nicht-invasive Blasenkarzinom stellt die häufigste Form dieser Erkrankung dar und entwickelt sich in der inneren Wand des Organs, ohne die tieferen Muskelschichten zu erreichen. Diese oberflächliche Lage ermöglicht theoretisch eine lokalisierte Behandlung, aber bestimmte Faktoren wie die Tumorgröße, ihre Anzahl oder ihr aggressiver Charakter definieren das hohe Rückfallrisiko.
Die Einstufung als Hochrisiko-Tumor bedeutet, dass diese Tumore eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Wiederauftreten nach der Erstbehandlung aufweisen, möglicherweise sogar für ein Fortschreiten zu invasiveren Formen. Betroffene Patienten benötigen eine engmaschige Überwachung und intensivere Behandlungen als Patienten mit Niedrigrisiko-Formen.
Die Standardbehandlung für diese Fälle besteht in der intravesikalen Instillation von BCG, einem Immunmodulator, der von einem abgeschwächten Bakterienstamm abgeleitet ist. Allerdings sprechen etwa 30 bis 40 % der Patienten nicht ausreichend auf diese Therapie an, was eine therapeutische Sackgasse schafft, die alternative Ansätze erfordert.
Das Versagen der BCG-Behandlung führt traditionell zur Empfehlung einer radikalen Zystektomie, einem größeren chirurgischen Eingriff, der die vollständige Entfernung der Harnblase mit Harnableitung umfasst und mit erheblichen Morbiditäten sowie tiefgreifenden Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten verbunden ist.
Systeme zur verlängerten Wirkstofffreisetzung
Systeme zur verlängerten Wirkstofffreisetzung stellen einen innovativen therapeutischen Ansatz dar, der eine konstante Konzentration des Wirkstoffs am Wirkort aufrechterhält. Im Gegensatz zu traditionellen Verabreichungsformen, die Konzentrationsspitzen und -täler verursachen, geben diese Vorrichtungen das Medikament über einen längeren Zeitraum kontrolliert ab.
Im onkologischen Bereich bietet diese Technologie den großen Vorteil, Tumorzellen kontinuierlich optimalen therapeutischen Dosen auszusetzen, wodurch die Wirksamkeit der Behandlung erhöht und die Häufigkeit der Verabreichung verringert wird. Die verlängerte Freisetzung ermöglicht es zudem, Tumorbereiche zu erreichen, die für konventionelle Behandlungen weniger zugänglich sind.
Der Freisetzungsmechanismus kann auf verschiedenen physikalisch-chemischen Prinzipien beruhen: Diffusion durch eine Polymermembran, fortschreitende Erosion der Vorrichtung oder gesteuerte osmotische Systeme. Jede Technologie wird entsprechend den Eigenschaften des Medikaments und des therapeutischen Anwendungsorts optimiert.
Diese Systeme eröffnen therapeutische Perspektiven in vielen Bereichen jenseits der Onkologie, insbesondere für chronische Erkrankungen, die eine kontinuierliche Behandlung erfordern, lokalisierte Infektionen oder entzündliche Erkrankungen, bei denen die Aufrechterhaltung einer stabilen Konzentration die Behandlungseffektivität signifikant verbessert.
Quelle: Journal of Clinical Oncology