Der Zusammenhang zwischen Stress und Darmkrebs wird zunehmend klarer. Könnte unser Darmmikrobiom dabei eine Schlüsselrolle spielen?
Forscher in China haben diese Hypothese untersucht, indem sie die Auswirkungen von chronischem Stress auf das Darmmikrobiom und Darmkrebs bei Mäusen erforschten. Ihre Studie, die auf dem Europäischen Gastroenterologiekongress 2024 vorgestellt wurde, zeigt, dass Stress das Gleichgewicht der Darmbakterien stört. Diese Störung führt bei den Nagern zu einem beschleunigten Tumorwachstum.
Das Team um Qing Li vom West China Krankenhaus führte eine Reihe gezielter Eingriffe durch, um den Einfluss von chronischem Stress auf das Mikrobiom und den Darmkrebs besser zu verstehen. Sie begannen damit, eine starke Antibiotikakombination bestehend aus Vancomycin, Ampicillin, Neomycin und Metronidazol zu verabreichen, um die bakterielle Vielfalt im Darm der Mäuse drastisch zu reduzieren. Mit dieser Behandlung sollte das Mikrobiom erschöpft werden, indem ein Großteil der natürlich vorkommenden Bakterien eliminiert wurde.
Nachdem das Darmmikrobiom gestört war, führten die Forscher neue mikrobielle Populationen durch fäkale Mikrobiomtransplantationen ein. Diese Transplantationen stammten entweder von gesunden oder gestressten Mäusen, um die Unterschiede zwischen den beiden Mikrobioten und deren Einfluss auf das Tumorwachstum zu untersuchen. Gleichzeitig setzten die Forscher die Mäuse chronischen Stressbedingungen aus, die im Labor durch psychologischen und physischen Stress simuliert wurden, um die Auswirkungen eines anhaltenden Stresses im wirklichen Leben nachzubilden.
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Rückgang der nützlichen Bakterien der
Lactobacillus-Gruppe, insbesondere von
Lactobacillus plantarum, bei den gestressten Mäusen. Diese Bakterien könnten eine Schlüsselrolle beim Schutz vor Krebs spielen.
Laut Dr. Li könnte dieses Bakterium ein therapeutisches Ziel werden. Nahrungsergänzungen mit
L. plantarum könnten das Darmgleichgewicht wiederherstellen und die natürlichen Abwehrkräfte gegen Krebs stärken. Die Wissenschaftler betonen jedoch, dass diese Ergebnisse noch beim Menschen validiert werden müssen. Derzeit gibt es keine klaren Empfehlungen für Probiotika-Ergänzungen.
In Frankreich haben mikrobiom-basierte Tests zur Krebsfrüherkennung die Behörden bisher nicht überzeugt. Dennoch wächst die Forschung zu Mikrobiom und Krebs stetig, und es eröffnen sich neue Perspektiven. Bis dahin sind weiterführende Studien notwendig, um zu erforschen, wie das Mikrobiom ein wertvoller Verbündeter im Kampf gegen Darmkrebs werden könnte.
Was ist das Darmmikrobiom und warum ist es so wichtig?
Das Darmmikrobiom umfasst alle Mikroorganismen – Bakterien, Pilze, Viren – die unseren Darm besiedeln. Diese komplexe Gemeinschaft spielt eine Schlüsselrolle bei der Verdauung, der Vitaminsynthese und dem Schutz vor Krankheitserregern. Sie beeinflusst auch unser Immunsystem und trägt zur Regulierung unseres Stoffwechsels bei.
Der Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Darmkrebs ist ein sich schnell entwickelndes Forschungsgebiet. Einige Darmbakterien, wie jene der
Lactobacillus-Gruppe, sind an der Regulierung von Immunreaktionen gegen Tumore beteiligt. Ein Ungleichgewicht dieser Flora, das häufig durch chronischen Stress verursacht wird, kann diese Mechanismen stören und das Fortschreiten von Krebs begünstigen.
Studien, wie die von Dr. Qing Li, deuten darauf hin, dass die Wiederherstellung des Mikrobiom-Gleichgewichts durch nützliche Bakterien, wie
Lactobacillus plantarum, die Abwehrkräfte des Körpers stärken und das Tumorwachstum verlangsamen könnte. Klinische Studien sind jedoch noch erforderlich, um diesen Ansatz beim Menschen zu validieren.
Verfasser des Artikels: Cédric DEPOND
Quelle: UEG