Die Entdeckung eines Depots mariner Fossilien in einer spanischen Höhle verändert unsere Wahrnehmung der Neandertaler. Diese scheinbar nutzlosen Objekte offenbaren unerwartete Verhaltensweisen.
Prado Vargas, eine Höhle im Norden Spaniens, hat 15 fossile Überreste aus dem Meer preisgegeben. Diese Exemplare aus der Oberkreide wurden von Neandertalern über Dutzende von Kilometern transportiert. Ihre Entdeckung zeugt von einer Aufmerksamkeit für Objekte ohne offensichtlichen Nutzen.
Diese Fossilien, darunter Arten wie
Tylostoma cossoni, stammen aus weit entfernten marinen Umgebungen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie als Werkzeuge oder Schmuckstücke dienten. Ihre unversehrte Form deutet darauf hin, dass sie aufgrund ihres Aussehens ausgewählt wurden, wahrscheinlich wegen ihrer bemerkenswerten Formen oder Texturen.
Für Archäologen zeigen diese Funde eine Form von abstraktem Denken. Fossilien eine ästhetische oder symbolische Bedeutung zuzuschreiben, könnte eine kognitive Fähigkeit widerspiegeln, die bisher ausschließlich dem modernen Homo sapiens zugeschrieben wurde.
Eine Hypothese besagt, dass vor allem Neandertaler-Kinder die Sammler waren. Tatsächlich stützt der Fund eines Milchzahns in der Nähe die Idee eines kindlichen Beitrags zu diesem Handeln und erinnert an Spiele und kindliche Neugier.
Andere Forscher betrachten dieses Sammeln als eine lehrreiche oder soziale Aktivität. Die Fossilien könnten verwendet worden sein, um Wissen zu vermitteln, Gemeinschaftsbindungen zu stärken oder kulturelle Identitäten auszudrücken.
Marine Fossilien aus Ebene 4.
(A) Pholadomya gigantea (Sowerby, 1836) (PV18 H29 159);
(B) Granocardium productum (Sowerby, 1832) (PV22 9047);
(C) Pleurotomaria sp. (PV20 F27);
(D) Tetragramma variolare (Brongniart, 1822) (PV19 G27).
Dieser Fund gehört zu einem wachsenden Korpus, der die Komplexität der Neandertaler verdeutlicht. Neben ihren elaborierten Werkzeugen bestatteten diese Hominiden ihre Toten und stellten Pigmente her. Nun bereichert ihre Fähigkeit, symbolische Objekte zu sammeln, dieses Bild weiter.
Im Vergleich zu ähnlichen Fundstätten, wie der Cova de les Teixoneres in Katalonien, wo Tierknochen wohl zu rituellen Zwecken platziert wurden, erweitern die Fossilien von Prado Vargas das Konzept eines symbolischen Bewusstseins bei den Neandertalern.
Diese Verhaltensweisen fordern eine Neubeurteilung des klassischen Neandertalerbildes heraus. Weit entfernt vom Klischee des rohen Hominiden erscheinen sie als neugierige Wesen, fähig, Schönheit wahrzunehmen und ihr Leben mit komplexen kulturellen Interaktionen zu bereichern.
Artikelautor: Cédric DEPOND
Quelle: Quaternary