Unterschätzen künstliche Neuronen die Leistungsfähigkeit ihrer biologischen Vorbilder?
Zehn Jahre nach ersten theoretischen Vorhersagen haben Forscherinnen und Forscher gezeigt, dass ein isoliertes biologisches Neuron eine Rechenoperation durchführen kann, die man ihm bisher nicht zugetraut hatte. Die in der Zeitschrift
Scientific Reports veröffentlichte Studie legt nahe, dass der Einsatz komplexerer künstlicher Neuronen die Effizienz neuronaler Netze verbessern könnte.
Während neuronale Netze alle möglichen Berechnungen lösen können – was vermag ein einzelnes Neuron? Die seit über 50 Jahren gängigen Modelle gehen von begrenzten Fähigkeiten aus, und genau auf diesem Modell basieren die heutigen künstlichen Intelligenzen.
Doch diese sind besonders energiehungrig und im Vergleich zur Natur wenig effizient, was einige Wissenschaftler vermuten lässt, dass ein Neuron tatsächlich mehr Tricks auf Lager haben könnte.
Forscherinnen und Forscher des Instituts für Elektronik, Mikroelektronik und Nanotechnologie (
IEMN, CNRS/Universität Lille/Université Polytechnique Hauts-de-France), des Labors für kognitive und computergestützte Neurowissenschaften (
LNC2, INSERM/ENS - PSL) und des Labors Gene, Synapsen und Kognition (
GSC, CNRS/Institut Pasteur) haben nachgewiesen, dass ein isoliertes Neuron zu mehr logischen Berechnungen fähig ist als allgemein angenommen.
Diese gehören zur Kategorie der linear nicht trennbaren Operationen, die klassische Modelle einzelner künstlicher Neuronen nicht bewältigen können. Diese Unfähigkeit könnte einer der Gründe für die mangelnde Energieeffizienz aktueller Netze sein.
In dieser Studie lösten biologische Neuronen allein ein Problem, bei dem nur dann reagiert werden soll, wenn erregende Reize, die Formen kodieren, mit solchen kombiniert werden, die Farben kodieren. Um die Neuronen rechnen zu lassen, werden sie mit dem erregenden Neurotransmitter Glutamat stimuliert. Dieser ist in Käfigen eingeschlossen, aus denen er durch Laserstrahlen freigesetzt wird, was eine präzise Steuerung der Neuronenstimulation ermöglicht. Die verschiedenen Stellen, an denen das Glutamat wirkt, erlauben es dem Neuron, die gewünschte Operation durchzuführen. Eine am Neuron befestigte Elektrode bestätigt, dass es sich bei korrekten Bedingungen aktiviert – was ihm tatsächlich gelingt.
Zweiphotonenmikroskopie-Aufnahme eines in der Studie verwendeten Neurons. Die farbigen Punkte an den Ästen 1 und 2 markieren die durch Glutamat stimulierten Stellen, jene an Ast 3 durch elektrische Stimulation. Der Maßstab beträgt 20 µm. Das große weiße Element entspricht der Pipette, die die Neuronenaktivität misst.
© Cazé et al.
Das Team des IEMN möchte nun klären, ob künstliche Neuronen mit dieser Fähigkeit leistungsfähigere künstliche neuronale Netze bilden würden.
Quelle: CNRS INSIS