Ein Objekt aus einem anderen System durchquert derzeit unser Sonnensystem, und sein Verhalten interessiert Astronomen höchstens.
Die aktuelle Aufnahme des Virtual Telescope-Projekts zeigt eine bemerkenswerte Verwandlung des Kometen 3I/ATLAS. Dieses aus Italien mit robotischen Teleskopen aufgenommene Foto kombiniert achtzehn Belichtungen von je zwei Minuten. Trotz schwieriger Beobachtungsbedingungen mit dem Mond, der den Himmel erhellt, erscheint der Ionenschweif mit außergewöhnlicher Schärfe. Gianluca Masi, Gründer des Projekts, weist in einer Veröffentlichung auf die stetige Verbesserung dieser gasförmigen Struktur hin.
Der interstellare Komet 3I/ATLAS, aufgenommen am 10. November, zeigt einen hellen Kern und einen gut definierten Ionenschweif
Bildnachweis: The Virtual Telescope Project
Die Bildung dieses Schweifs resultiert aus einem präzisen physikalischen Prozess. Die solare Ultraviolettstrahlung reißt Elektronen aus den gasförmigen Molekülen, die der Komet ausstößt, und erzeugt so geladene Ionen. Diese Teilchen werden dann vom Sonnenwind, diesem stetigen Strom ionisierter Materie von unserem Stern, mitgerissen. Im Gegensatz zum Staubschweif, der der Bahnkurve folgt, zeigt der Ionenschweif stets direkt von der Sonne weg, unabhängig von der Bewegungsrichtung des Kometen.
Die detaillierte Analyse des Bildes zeigt einen hellen Kern, umgeben von einer kompakten Koma, während sich der Ionenschweif über etwa 0,7 Grad am Himmel erstreckt. Man erkennt ebenfalls einen schwachen Gegenschweif, ein optisches Phänomen, das durch die irdische Perspektive verursacht wird und Staubpartikel sichtbar macht, die sich in die entgegengesetzte Richtung erstrecken. Diese im Vergleich zu früheren Beobachtungen gesteigerte Aktivität deutet auf eine intensivere Freisetzung von Gas und Staub unter dem Einfluss der Sonnenerwärmung hin.
Als drittes bestätigtes interstellares Objekt nach 1I/'Oumuamua und 2I/Borisov weist 3I/ATLAS eine wesentliche Besonderheit auf: Seine Helligkeit ermöglicht eine eingehende Untersuchung von der Erde aus. Die Astronomen haben somit eine einzigartige Gelegenheit, zu beobachten, wie ein Komet, der aus einem anderen Sternsystem stammt, auf den Einfluss unserer Sonne reagiert. Diese außergewöhnliche Situation eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis interstellarer Objekte.
Die Verlängerung und Verstärkung des Schweifs deuten auf eine verstärkte Sublimation flüchtiger Materialien hin, die wahrscheinlich Kohlendioxid und Staub einschließen. Diese Elemente werden dann unter dem Druck des Sonnenwinds in den Weltraum ausgestoßen. Vorläufige Daten zeigen einen hohen Anteil an Kohlensäureeis, was Aufschluss über die Bedingungen in dem fernen Planetensystem geben könnte, in dem sich dieser Komet gebildet hat.
Das Virtual Telescope-Projekt setzt sein Beobachtungsprogramm von 3I/ATLAS während seines Durchgangs durch das innere Sonnensystem fort. Berufs- und Amateurastronomen können die Entwicklung dieses kosmischen Besuchers anhand der regelmäßig veröffentlichten Bilder verfolgen, seit seiner ersten Entdeckung im Juli letzten Jahres. Diese kontinuierliche Überwachung wird es ermöglichen, die Veränderungen des Kometen während seiner Sonnenreise zu dokumentieren.
Die Entstehung von Kometenschweifen
Kometen entwickeln bei ihrer Annäherung an die Sonne in der Regel zwei verschiedene Arten von Schweifen. Der Staubschweif, der aus festen Partikeln besteht, folgt der Bahnkurve des Objekts und erscheint oft gelblich. Die vom Kern freigesetzten Staubkörner reflektieren das Sonnenlicht und erzeugen diese charakteristische Spur, die sich leicht krümmt.
Der Ionenschweif hingegen bildet sich durch einen anderen Mechanismus. Die Ultraviolettstrahlung der Sonne ionisiert die Gase der Koma, indem sie Elektronen aus Atomen und Molekülen reißt. Diese elektrisch geladenen Ionen werden dann empfindlich für das vom Sonnenwind transportierte Magnetfeld. Sie werden beschleunigt und in die der Sonne entgegengesetzte Richtung ausgerichtet.
Dieser Plasmaschweif zeigt oft eine bläuliche Färbung aufgrund der spezifischen Emissionen ionisierter Moleküle, insbesondere Kohlenmonoxid. Seine Struktur erscheint in der Regel geradliniger und dynamischer als der Staubschweif und kann Diskontinuitäten und plötzliche Beschleunigungen aufweisen. Die gleichzeitige Beobachtung beider Schweife liefert komplementäre Informationen über die Zusammensetzung und Aktivität des Kometenkerns.
Die vergleichende Untersuchung von Kometenschweifen ermöglicht es Wissenschaftlern, die Art der flüchtigen Materialien und deren Sublimationsrate zu bestimmen. Jede Art von Schweif reagiert unterschiedlich auf Schwankungen der Sonnenaktivität und bietet somit einen doppelten Indikator für die physikalischen Prozesse, die beim Vorbeizug von Kometen in Sonnennähe ablaufen.
Interstellare Objekte in unserem Sonnensystem
Die Entdeckung interstellarer Objekte durchläuft seit einigen Jahren eine besonders aktive Phase. Vor 2017 war ihre Existenz theoretisch, aber die aufeinanderfolgenden Beobachtungen von 1I/'Oumuamua, 2I/Borisov und nun 3I/ATLAS haben bestätigt, dass unser Sonnensystem regelmäßig Besuch von Himmelskörpern aus anderen Sternsystemen erhält. Diese kosmischen Reisenden erreichen uns, nachdem sie Millionen von Jahren durch den interstellaren Raum gewandert sind.
Jedes bisher untersuchte interstellare Objekt weist einzigartige Merkmale auf:
- 1I/'Oumuamua zeigte eine ungewöhnliche längliche Form und eine rätselhafte nicht-gravitative Beschleunigung.
- 2I/Borisov ähnelte eher den Kometen des Sonnensystems, mit einer bemerkenswerten Aktivität.
- 3I/ATLAS kombiniert eine für detaillierte Beobachtungen ausreichende Helligkeit mit einer zunehmenden Aktivität, die es erlaubt, seine Entwicklung in Echtzeit zu studieren.
Die Analyse dieser externen Besucher bietet unvergleichliche Einblicke in die Bildung von Planetensystemen. Ihre Zusammensetzung spiegelt die Bedingungen wider, die in ihrem Ursprungssystem herrschten, die sich möglicherweise stark von denen der protosolaren Wolke unterscheiden. Die relativen Anteile von Eis und Staub sowie ihre innere Struktur liefern zahlreiche Hinweise auf die Prozesse der Planetenentstehung anderswo in der Galaxie.
Die Häufigkeit der Entdeckung dieser Objekte deutet darauf hin, dass sie viel zahlreicher sein könnten als bisher angenommen. Neue astronomische Instrumente, wie das zukünftige Vera-Rubin-Observatorium, sollten die Entdeckungsrate erheblich erhöhen. Diese wachsende Population interstellarer Objekte wird es ermöglichen, Statistiken über ihre Natur und Herkunft zu erstellen und unser Verständnis der Vielfalt der Planetensysteme zu erweitern.
Quelle: The Virtual Telescope Project